FROST: Thriller

Buchseite und Rezensionen zu 'FROST: Thriller' von Ragnar Jónasson
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Inhaltsangabe zu "FROST: Thriller"

Ein altes Sanatorium. Ein entschlossener Ermittler. Ein ungelöstes Rätsel: Die Fortsetzung der großen HULDA-Trilogie von Ragnar Jónasson, in der der junge Kommissar Helgi Reykdal in den Fokus rückt - jener junge Mann, für den Kommissarin Hulda Hermannsdóttir in »DUNKEL« ihren Schreibtisch räumen musste. Helgi untersucht eines der größten Rätsel der isländischen Kriminalgeschichte, einen Cold Case: die Todesfälle im Tuberkulose-Sanatorium. 1983 waren dort, im eisigen Norden Islands, eine Krankenschwester und der Chefarzt umgekommen. Was ist 1983 wirklich geschehen? Und wurde die damalige Ermittlerin Hulda zum Schweigen gebracht?

Format:Broschiert
Seiten:304
Verlag: btb Verlag
EAN:9783442759316

Rezensionen zu "FROST: Thriller"

  1. Dreißig Jahre alte Morde ...

    1983, in einem stillgelegten Tuberkulose-Sanatorium in einer ländlichen Gegend Islands. Die junge Tinna kommt wie üblich morgens um sieben an ihren Arbeitsplatz, und normalerweise ist sie die erste. Doch diesmal ist ihre Chefin Yrsa schon vor Ort und liegt ermordet über ihren Schreibtisch gelehnt. Zwei Finger sind abgeschnitten - offensichtlich wurde sie vor ihrem Tod gefoltert. Von der Polizei kommt ein Ermittler namens Sverrir, der binnen kurzem den Hausmeister Broddi verhaftet. Unter anderem aufgrund einer Bemerkung Tinnas, die behauptet, am Tag der Tat Blutflecken an Broddis Kleidung gesehen zu haben. In Wahrheit weiß Tinna gar nicht recht, was sie sagt; sie möchte sich gern bedeutend vorkommen, vor allem gegenüber dem netten jungen Sverrir. Doch es gibt keine Beweise gegen Broddi, er ist schnell wieder auf freiem Fuß. Und dann stürzt sich auch noch der Chefarzt aus dem Fenster ...

    All das ist Inhalt einer Akte, die im Jahr 2012 nicht mal als Cold Case gilt; der Fenstersturz dieses Arztes wurde als Selbstmord und implizites Geständnis angesehen. Doch der Jurastudent Helgi, der sich kürzlich bei der Polizei beworben hat, macht den Fall zum Thema seiner Abschlussarbeit - und nimmt sogar selbst einige Nachforschungen auf, denn die meisten Beteiligten leben noch und erinnern sich an die Ereignisse vor dreißig Jahren. Bei dem Namen Helgi mag es bei manchem Fan der Hulda-Serie klingeln: Er ist der Nachfolger der Ermittlerin Hulda, die unter beschämenden Umständen in den Ruhestand entlassen wird, wie aus der Trilogie bekannt. Chef Magnus kann es gar nicht erwarten, dass Hulda endlich ihr Büro räumt und den Schreibtisch Helgi überlässt. Diese Geschichte ist ein Nebenstrang in "Frost". Wie hier mit "Islands einsamster Kommissarin" Hulda umgegangen wird, ist so richtig schlimm; darüber kann Jónassons neutraler, fast schon dokumentarischer Stil nicht hinwegtäuschen.

    Überhaupt - Jónassons Stil, das ist ein Punkt für sich. Er ist so schlicht, dass er beinahe gar nicht vorhanden ist. Wer die erzählerische Raffinesse in der Hulda-Trilogie kennt, wird sich fragen, wie weit diese Schlichtheit Kalkül ist. Sicher ist, dass alle Beteiligten etwas zu verbergen haben. Doch die eigenartige Zurückhaltung des Autors, der vieles, auch äußerst dramatische Momente, nur in der Rückschau und als vage Erinnerung berichtet, weckt bei der Leserin immer wieder den Verdacht, dass der Autor bewusst Denkfallen aufstellt. So war ich bei einer Nebenperson lange im Zweifel, ob sie überhaupt körperlich existiert oder bloß eine Einbildung oder Erinnerung einer anderen Person ist (wer das Buch kennt, weiß vermutlich, wen ich meine). Am Ende löst sich alles einigermaßen zufriedenstellend auf; trotzdem - auch wegen Huldas Schicksal, das Jonasson-Fans ja schon bekannt ist - bleibt über dem ganzen Geschehen ein eigentümlicher Grauschleier. Das Leben bringt wenig Freuden in Island, zumal Jonasson jedes Lokalkolorit ausspart.

    Apropos Lokalkolorit: Für mich ist der Milieu-Rahmen des Geschehens bis zum Ende nicht ganz schlüssig. Zum einen erscheint die Polizei wie ein Privatunternehmen, in dem Leute nach Sympathie eingestellt und abgeschoben werden, wie es dem Chef in den Kram passt. Vielleicht ist unser Deutschland mit seinem Berufsbeamtentum da nicht gerade maßgebend - trotzdem muss es bei der Stellenvergabe nicht wie auf dem Basar zugehen. Und vor allem verstehe ich den Schauplatz der Morde in den Achtzigerjahren nicht. In der Klinik gibt es nämlich keine Patienten mehr. Es arbeiten dort noch einige Ärzte, Pflegepersonal und ein Hausmeister, doch womit und woran eigentlich, das erfahren wir nicht wirklich. "Analysen, Studien und Optimierung von Arbeitsabläufen" finden in der stillgelegten Klinik statt, heißt es auf Seite 15, und das ist dann auch alles. "Irgendwo in Rejkjavik saßen Leute, die sich Gedanken darüber machten, wie das alte Sanatorium in Zukunft genutzt werden sollte." Na hoffentlich. In der Zwischenzeit agiert da eine Handvoll Menschen, von denen wir nie erfahren, wofür sie eigentlich bezahlt werden - eigentümliche Schatten, die einen Lost Place bevölkern.

    Die Qualität der Hulda-Trilogie hat der Autor hier nicht mehr erreicht; da liegt die Latte natürlich hoch. Für Leserinnen und Leser, die den bleischweren Duktus eines Islandkrimis mögen, ist das Buch geeignet. Wer es flotter mag, vielleicht ein bisschen Action oder auch eine richtige Konfrontation möchte - oder auch nur eine Spur von Fröhlichkeit -, sollte die Finger davon lassen.